Skulpturale Prozesse 2

264.169 UE, 4h

Alex Chinneck, A Pound of Flesh for 50p, 2014

Erde, Lehm und Ton war den Menschen seit Jahrtausenden Material für das Herstellen von Bauwerken, Gefäßen und von plastisch geformten rituellen Objekten und Figurinen. Die vormalig analog handwerkliche Herstellung wurde allmählich durch industrielle Produktion von Alltagsgegenständen wie Ziegelsteinen und Geschirr abgelöst. Dies ließ die Bedeutung des Keramischen in der Kunst sinken. Erst in den späten 50ern des 20ten Jahrhunderts wurde die spezifischen Qualität des Materials und deren Bedeutung wiederentdeckt und neu positioniert (z.B. Lucio Fontana). Die Vielfalt der zeitgenössischen Auseinandersetzung mit dem Material zeigen Arbeiten von Künstlerinnen und Künstlern wie Alexandra Engelfriet, Edmund de Waal, Emre Hüner oder Ron Nagle. Beinahe alle Arten von künstlerischem Umgang mit Lehm oder Ton erzeugen dreidimensionale Gegenstände, die in plastisch-weichem Zustand geformt, anschließend getrocknet und letztlich gebrannt werden, um dauerhafte Festigkeit zu erlangen. Der Produktionsweg, den die Keramik dabei durchläuft, erzeugt vielfältige meist schwer kalkulierbare Veränderungen der Ausgangsform wie Verlust an Oberflächenplastizität, Schrumpfung des Volumens, Farbveränderungen, Entstehung innerer Spannungen bis zur Bruchgefahr vor und nach dem Brennvorgang. Diesen Unwägbarkeiten kann nur durch Geduld, vielen Versuchen und feinem Gespür begegnet werden.

Die Art der Auseinandersetzung, die wir bei dieser Übung führen, beginnt in der Lehmgrube, führt über die Aufbereitung des Tons zur Entwicklung von Formen und der Überarbeitung fremder Objekte mit unterschiedlichen Werkzeugen bis zur Bearbeitung bestehender Keramikerzeugnisse in eigenständige im Kunstkontext definierte raumbildende Skulpturen. Das Material wird Ton in allen Aggregatzuständen von flüssig bis gebrannt sein. Mit analogen formgebenden Werkzeugen und Körpereinsatz wird gearbeitet. Über modellieren, drücken, quetschen, gießen und schlagen als Techniken, sollen skulpturale Hohlraum-Objekte entstehen.

Wir beginnen die Übung mit der Erfindung einer Hohlform, die blind zeichnerisch auf ein A3 Blatt entworfen wird, um sie dann anzuschauen, wahrzunehmen und diese gezeichnete Form wiederum mit verbundenen Augen in vorher besorgtem Ton in mehreren Versuchen umzusetzen. Dieser Einstieg soll vom bekannten Formendenken loslösen und Wege in experimentelle Auseinandersetzungen mit Material und Formfindung öffnen. Diese Art von Zugang zu Material und Form wird dann an einem vom Fließband vorproduzierten technischen Objekt (Hohlkammerziegel) versucht, um in künstlerischer Manier den noch plastisch weichen Körper in skulpturale Dimensionen umzuwandeln. Begleitet von einem Arbeitsbuch, Fotografien und Wortspenden wird das eigene Tun dokumentiert und vorangetrieben

Einführung

01.10. 2020 um 10.00 Uhr, Modelliersaal (Erzherzog Johann-Platz 1)
oder via Zoom

Pflichttermine

jeden Donnerstag 14:00h
vor Ort oder via Zoom