VIEW? SHAPE!
In Kooperation mit dem Forschungsbereich Kunstgeschichte und dem Weltmuseum Wien
Das Panorama, ein zweidimensionales Bild mit weitem Blickfeld, ermöglicht eine umfassende Darstellung von Landschaften oder Szenen auf einer flachen Oberfläche. Es bietet dem Betrachter eine simultane Sicht auf verschiedene Aspekte, ohne dass dieser seine Position verändern muss. Diese statische Betrachtungsweise steht im Kontrast zur dynamischen Erstellung eines Panoramas, die Bewegung entlang der abzubildenden Informationskette erfordert. Ähnlich der Kartographie übersetzt das Panorama dreidimensionale Information in eine zweidimensionale Form, wobei die entstehende Streckung und Verzerrung des Raumes eine komprimierte, aber deutliche Dokumentation eines Ausschnitts erzeugt.
Im Gegensatz zur abstrakten Natur der Kartographie variieren zeitgenössische Panoramen in ihrem Abstraktionsgrad, von hochgradig abstrakten Darstellungen bis hin zu detailreichen digitalen Umsetzungen. Diese Vielfalt ermöglicht es, verschiedene Realitätsaspekte auf unterschiedliche Weise zu erfassen und zu vermitteln. Im Kontrast zum statischen Panorama steht die multisensorische Erfahrung eines dreidimensionalen Objekts, das dem Betrachter erlaubt, es aus verschiedenen Perspektiven zu erkunden und zu berühren.
Die Wahrnehmung selbst ist kein statischer, sondern ein dynamischer Prozess, eng verbunden mit Bewegung und Interaktion. Diese Erkenntnis steht im Spannungsverhältnis zur statischen Natur des Panoramas und wirft Fragen zur Raumwahrnehmung und -repräsentation auf. Die Rolle des Betrachters ist dabei zentral, schwankend zwischen aktiver Auseinandersetzung und passiver Betrachtung, wobei selbst passive Beobachtung subtile Formen aktiver Wahrnehmung und Reflexion beinhalten kann.
Die Transformation eines Panoramas in eine dreidimensionale Form spiegelt die Komplexität menschlicher Wahrnehmung wider und lädt den Betrachter ein, seine Position im Raum und seine Beziehung zur dargestellten Welt neu zu evaluieren. Die Dekonstruktion eines Panoramas kann verborgene Bedeutungen und ideologische Konstruktionen offenlegen und neue narrative sowie ästhetische Möglichkeiten eröffnen.
Im Rahmen eines Semesters bieten sich vielfältige Möglichkeiten zur künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Panorama-Konzept. Studierende werden ermutigt, eigene Panoramen zu erstellen, wobei sowohl technische als auch konzeptuelle Aspekte berücksichtigt werden. Die Beschäftigung mit historischen Panoramen ermöglicht eine kritische Reflexion und künstlerische Neuinterpretation, während Experimente mit verschiedenen Präsentationsformen die Wahrnehmung des Betrachters beeinflussen und steuern können. Die Untersuchung von Raumkonstruktion und -wahrnehmung im Panorama kann zu neuen Einsichten in die Erzeugung räumlicher Illusionen und deren Interaktion mit kognitiver Raumwahrnehmung führen.
Diese Auseinandersetzung fordert zur kritischen Reflexion unserer Wahrnehmungsgewohnheiten und der Mechanismen der Wirklichkeitskonstruktion auf. Sie wirft Fragen auf zur Veränderung unserer Wahrnehmung beim Übergang vom zweidimensionalen Bild zum greifbaren Objekt, zur Rolle kognitiver Prozesse bei der Interpretation von Räumlichkeit und zum Einfluss von Kontext und Kultur auf die Interpretation und Übersetzung von Panoramen.
Den Abschluss bildet eine Ausstellung im Weltmuseum, die als Forum für den Diskurs über die erforschten Themen dient. Das Endergebnis der studentischen Arbeit soll ein physisches Objekt sein. Diese greifbare Umsetzung der künstlerischen Auseinandersetzung ermöglicht eine direkte, taktile Erfahrung und verbindet theoretische Überlegungen mit praktischer Gestaltung. Dadurch werden die Grenzen zwischen Bild und Skulptur, Darstellung und Erfahrung neu erkundet.
Cosma Grosser
Harald Stühlinger
Gregor Titze